Inhalt
- Was das BFSG regelt und wer betroffen ist
- Welche Anforderungen an Websites und Online-Shops gestellt werden
- Warum digitale Barrierefreiheit mehr ist als Screenreader-Kompatibilität
- Auswirkungen auf UX Design, UI-Komponenten und Design Systeme
- Technische Herausforderungen: HTML, ARIA, Core Web Vitals und SEO
- Test- und Audit-Tools für Barrierefreiheit
- Verbindung zu DSGVO, Consent Management und rechtlicher Absicherung
- Fazit: Barrierefreiheit als Chance für Reichweite, Conversion und Ranking
Was das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz regelt
Das BFSG ist die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act). Es verpflichtet Unternehmen, ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zugänglich zu machen, sofern sie am Massenmarkt aktiv sind. Das betrifft explizit Websites, mobile Apps, E-Commerce-Plattformen, E-Books, Ticketbuchungssysteme, Bankportale und mehr. Ausnahmen gelten nur für Kleinstunternehmen – alle anderen müssen handeln.
Was digitale Barrierefreiheit konkret bedeutet
Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Nutzerinnen und Nutzer – unabhängig von Einschränkungen oder Endgeräten – auf Inhalte zugreifen können. Das umfasst:
- sauberes HTML mit semantischer Struktur
- korrekte Verwendung von ARIA-Rollen
- Tastaturbedienbarkeit und Fokusmanagement
- ausreichende Farbkontraste und skalierbare Schriftgrößen
- Alternativtexte für Bilder, aussagekräftige Linktexte
- sinnvolle Überschriftenstruktur und verständliche Sprache
- barrierefreies Formular-Handling
- keine Abhängigkeit von JavaScript-only-Funktionalitäten
Das BFSG orientiert sich dabei an der WCAG 2.1 AA-Konformität – diese wird somit zur verbindlichen Norm für Websites und Web-Anwendungen.
Besonderheiten im E-Commerce
Gerade im E-Commerce entstehen große Herausforderungen:
Produktfilter, Einkaufsprozesse, dynamische Preisrechner, Zahlungsarten, Captchas, Kundenkonten und Warenkörbe müssen barrierefrei funktionieren. Das bedeutet, auch Dinge wie Lazy Loading, Cookie-Consent-Banner oder Live-Chats dürfen nicht zur Blockade werden.
Auswirkungen auf UX, UI und Design Systeme
Barrierefreiheit ist keine rein technische Disziplin – sie beginnt im UX Design und wird im Design System manifest. Buttons müssen klar benannt und groß genug sein. Icons brauchen Textäquivalente. Der Call-to-Action muss nicht nur auffallen, sondern auch klar verständlich sein. Microinteractions wie Hover-States oder Form-Validierungen müssen mit Fokus-Indikatoren und ARIA-Live-Regionen ergänzt werden.
Ein gutes UI Design sorgt für Orientierung, Lesbarkeit und Bedienbarkeit – für alle. Besonders wichtig: Die mobile Nutzung. Mobile First ist auch aus Barrierefreiheits-Perspektive relevant, da viele User auf Tablets oder Smartphones mit assistiven Technologien zugreifen.
Technische Umsetzung und SEO-Relevanz
Ein barrierefreier Code ist gleichzeitig ein guter SEO-Code. Warum?
Suchmaschinen orientieren sich an strukturierten Inhalten, klaren Überschriften, semantischer Auszeichnung und Ladegeschwindigkeit – exakt die Faktoren, die auch für Barrierefreiheit entscheidend sind. Core Web Vitals, Pagespeed-Optimierung, Lazy Loading und sauberes CSS/HTML spielen hier genauso eine Rolle wie Duplicate Content-Vermeidung oder klare Canonical Tags.
Ein fehlerhafter HTML-Code, fehlende Label-Zuordnungen oder JavaScript-Only-Funktionalitäten bremsen nicht nur Nutzer mit Screenreadern aus, sondern auch Google. Das betrifft auch das Thema Featured Snippets oder Rich Results – wer barrierefrei codiert, hat hier einen klaren Vorteil.
Testing und Audits
Es gibt zahlreiche Tools, um Websites auf Barrierefreiheit zu testen:
- WAVE von WebAIM
- axe DevTools
- Lighthouse (Barrierefreiheit-Report)
- Siteimprove Accessibility Checker
- ARC Toolkit
- Browser-Erweiterungen und manuelle Tastaturtests
Wichtig ist: automatisierte Tests sind ein Einstieg, aber kein Ersatz für echte Usability-Tests mit Betroffenen. Nur so lassen sich reale Probleme im Kontext erkennen und beheben.
DSGVO, Consent Management und Accessibility
Ein oft übersehener Punkt: Cookie-Consent-Banner müssen ebenfalls barrierefrei sein. Viele CMPs blockieren Inhalte oder sind nicht tastaturbedienbar. Das widerspricht nicht nur dem Geist der DSGVO, sondern auch dem BFSG. Agenturen müssen hier auf zugängliche Consent-Lösungen setzen, die sowohl technisch korrekt als auch barrierefrei gestaltet sind.
Fazit: Barrierefreiheit ist kein Kostenfaktor, sondern ein Wettbewerbsvorteil
Ab Juni 2025 drohen Abmahnungen, Klagen und Imageverluste für Unternehmen, die keine barrierefreien Websites anbieten. Doch das sollte nicht der Hauptantrieb sein. Barrierefreiheit ist digitale Inklusion, steigert die Reichweite, senkt Absprungraten und verbessert die Conversion. Wer Websites für alle gestaltet, gestaltet sie besser.
Für Agenturen bedeutet das: neue Kompetenzen aufbauen, Teams schulen, Design- und Entwicklungsprozesse anpassen, Tools evaluieren und aktiv mit Kunden kommunizieren. Wer heute beginnt, ist morgen vorne – rechtlich, technisch und menschlich.